Hier mal ein paar analytische Worte von mir zur abgelaufenen Hinrunde der Bundesliga
Geschichten, Statistiken und Lehren der Bundesliga-Hinrunde 2006War das nicht ein schöner Fußball-Sommer 2006?
Besonders natürlich für die "Klinsmänner" und ihre rund 80 Millionen Fans. Nach dem so erfolgreich verlaufenem Märchen hoffte man besonders für die deutsche Eliteliga auf einen Umschwung. Die Spielphilosophie eines Jürgen Klinsmanns als Erfolgsrezept - begeisternder, temporeicher und effektiver Fußball einer Elf, deren Teamgeist unübertroffen war und Berge zu versetzen schien - wollte der allgemeine Fan nun wohl auch von seinem Verein geboten bekommen. Voller Sehnsucht und Entzugserscheinungen wurde so dem Saisonbeginn entgegengefiebert. Auch wir Dortmunder Borussen, die das Auftaktspiel auch noch gegen den Meister bestreiten durften, blickten endlich mal wieder voller Optimismus in die Zukunft.
Die Hinrunde der 43. Bundesligasaison ist beendet. Schnell wurde deutlich, dass das Bundesligageschehen weniger von dem vier Wochen andauerndem WM-Turnier beeinflusst wurde als erhofft. Und wenn, dann oft nur im negativen Sinne: Müdigkeit griff um sich, viele Nationalspieler waren zudem verletzt. Die Nachwehen der Weltmeisterschaft bestimmten schließlich die Spieltage. Das Beste an der Hinrunde war wohl, dass glücklicherweise niemand einen Bauern-Durchmarsch ertragen musste, sondern eine handvoll Teams dem Serienmeister Paroli bieten konnte.
SaisonstartAnfangs zierten plötzlich auch Teams ohne ausgelaugte Auswahlspieler wie der 1. FC Nürnberg oder die Hauptstädter die Tabellenspitze, um nach einer gewissen Zeit von „Clubs“ wie dem FC Gelsenkirchen 04 abgelöst zu werden. Auch der VfB Stuttgart überraschte nach langer Zeit mal wieder mit einer neuen jungen Generation an Fußballern. Vor allem aber Werder Bremen überzeugte und Rekordpokalsieger Bauern kam nach den Abgängen von Ballack, Zé Roberto & Co. im Verlaufe der Hinrunde nie wirklich in Tritt, verlor vor allem auswärts gegen Mittelmaßmannschaften viele Punkte und ließ dann auch im eigenen Stadion Federn.
Die Bazis hielten nur mit Mühe Anschluss an die Tabellenspitze, die die Werderaner bekleiden. Die Ballzauberer von der Weser begeisterten mit attraktivem Spiel und vielen Toren. Besonders der vom FC Porto gekommene Diego und auch WM-Torschützenkönig Miroslav Klose, der mit 10 Toren zusammen mit dem Unsympath der Liga Pantelic die Torjägerliste anführt, konnten überzeugen, ein Per Mertesacker nach Verletzung die Abwehr um einiges mehr stabilisieren.
All das schöne Spiel der Bremer täuschte aber nicht über das hinweg, was der Zuschauer im Überfluss bei Spielen erleiden musste. Durchschnittliches, langweiliges Gekicke war an der Tagesordnung, die Klinsmann’sche Philosophie fand kaum erfolgreiche Nachahmer. Das Negativbeispiel für effektives Defensivverhalten lieferte Klaus Augenthalers VW-Klub, der es zustande brachte, mit nur 12 Toren ganze 19 Punkte zu holen (bei nur 16 Gegentoren - damit hatten sie zusammen mit den von Hans Meyer trainierten Nürnbergern die beste Defensive). Die Zuschauer ließen ihre Teams trotz vieler kargen Nachmittage nicht gänzlich im Stich, der Besucherschnitt ist nach dem ewigen Rekord der letzten Saison trotzdem etwas gesunken.
Dortmund als Spiegelbild der Liga?Falsche Erwartungen, defensiv-einfallsloses Spiel und leicht sinkende Zuschauerzahlen. Die einzig wahre Borussia kann ein Lied davon singen. Auch beim BVB verlief die Hinrunde alles andere als perfekt. Im Sommer mit großen Erwartungen gestartet, lässt sich die Gesamtsituation der Liga nur allzu gut mit dem Beispiel des schwarzgelben Ballspielvereins beschreiben. Defensiv meist ganz ordentlich, offensiv überaus einfallslos und hausbacken. Kurz gesagt: Durchschnitt – das verkörperten die Spieler fast durchgängig (Ausnahme Weidenfeller) und zeigten nur mit wenigen Ausreißern nach oben, dass sie in der Lage sind, sehr gute Leistungen abzuliefern (in Bremen und Stuttgart), um in anderen wiederum unterdurchschnittlichen Partien wie gegen Bochum oder Hannover wirklich zu erschrecken. Dabei haben sich die Neuzugänge nur ansatzweise in das Team integriert und jagen dem Gegner vor allem Zuhause - damit liegt der BVB übrigens voll im Trend, denn gerade einmal mickrige 39% der Heimspiele konnten von den 18 Bundesligisten gewonnen werden - auch nicht wirklich das ein, was sich Angst nennt. Wild diskutiert wurde folglich über einen Nachfolger van Marwijks. Als Topfavorit auf den Posten galt lange Zeit (und gilt immer noch) der Bielefeld-Coach Thomas von Heesen. Schließlich entschied sich der Verein erst einmal für die Alternative Jürgen Röber, nachdem die von vielen bevorzugte Lösung Ottmar Hitzfeld - im Nachhinein vielleicht sogar glücklicherweise - Boss Joachim Watzke eine Absage erteilt hatte. Nach der Entlassung von Peter Neururer ist die Freistellung von BvM erst die zweite der Liga –
das sind sechs Trainerrausschmisse weniger als zum gleichen Zeitpunkt der letzten Saison. Dem Ziel eines Uefa-Cup-Platzes hinkt die Borussia somit relativ klar hinterher. Gibt es jemanden, der da Abhilfe schaffen könnte?
Deutsche Magerkost in internationalen WettbewerbenAls Erkenntnisse der Hinrunde 2006/2007 müssen auch die internationalen Auftritte der deutschen Mannschaften angesprochen werden. Erst einmal zu einem negativen Trend: International (also, in der sogenannten "Fünf-Jahres-Wertung") rückt
Rumänien (!) uns immer näher und Deutschland läuft Gefahr, den dritten Championsleague-Platz zu verlieren, was sehr bitter wäre. Um ein Abrutschen zu vermeiden, sollten sich alle 18 Bundesliga-Klubs eine riesige Scheibe vom momentanen Liga-Primus und Herbstmeister Werder Bremen abschneiden. Nicht nur, das dieses Team um Mertesacker, Diego und Klose den wohl schönsten Fußball der Liga spielt und auch ausländische Vereine langsam darauf aufmerksam werden, nein, denn auch international hat Werder nach den Bazis bisher am meisten geboten. Gegen Barcelona und Chelsea um haaresbreite letztlich auszuscheiden, ist wahrlich keine Schande. – und der Uefa-Cup hat zum jetzigen Zeitpunkt auch eine gewisse Attraktivität zu bieten. Auch der FC Bauern hat sich – ganz anders als in der Liga – gegen Inter Mailand souverän an die Spitze der Gruppe setzen können und den Einzug ins Achtelfinale im Endeffekt locker gemeistert. Danach kommt lange Zeit nichts mehr, nur Bayer Leverkusen präsentiert sich aus dem Kreis der Bundesligisten noch im Uefa-Cup, selbst wenn der
Tabletten-Klub ein Weiterkommen nur mit ziemlich viel Glück verwirklichen konnte.
Dieses Glück hatte z.B. Zwietracht Frankfurt nicht auf seiner Seite. Im entscheidenden Spiel gegen Fenerbace Istanbul reichte es nach einer 2:0-Führung, die zum Weiterkommen gereicht hätte, nur zu einem Unentschieden, dass das Ausscheiden der Hessen besiegelte. Trotzdem hatte die Mannschaft von Friedhelm Funkel Deutschland international ordentlich vertreten (nur eine einzige Niederlage). Auf internationaler Bühne versagt haben vor allem Hertha BSC Berlin und der Hamburger SV, die auch in der Liga eine unglaubliche Negativ-Serie hinlegten und die gesamte Hinrunde über nur
ein einziges (!) Spiel gewinnen konnten und durch Negativ-Schlagzeilen wie Platzverweise oder Mittelfinger-Affären ein ums andere Mal in Verruf gebracht wurde. Vor allem bedingt durch die Vielzahl an Abgängen und Neuzugängen sowie das Riesenpech bei Verletzungen kam der HSV auch sportlich nie wirklich in Fahrt. Außer Doll hatte auch ein anderer Trainerliebling, nämlich WM-Experte Jürgen Klopp vom FSV Mainz 05, kaum etwas zu lachen. Trotz der Plätze 17. und 18. hielten aber die Verantwortlichen der beiden Klubs weiter an ihren Trainern fest und stärkten ihnen demonstrativ den Rücken. Ob das ein Signal ist und zeigt, dass die Klubbosse aus der Vergangenheit gelernt haben und mehr auf langfristige Planungen und konzeptionelle Arbeit setzen, wird sich allerdings noch zeigen. Denn besonders zur Hälfte der Rückrunde könnte es noch einmal eine Welle der Entlassungen geben, wenn entschieden ist, dass die gesteckten Ziele definitiv nicht mehr erreicht werden können.
Die wohl fragwürdigste Entwicklung lässt sich aber bei unserem ungeliebten Reviernachbarn verfolgen. Abseits vom Platz, weit weg von unschönen Torwartwechseln oder dem Bundesliga-Alltagsgeschäft gibt es einen Sachverhalt, der wirklich zum Denken animiert. Der Einstieg des Erdgas-Riesen
"Gazprom" aus Russland ist höchst umstritten. Viele Fragen sind dabei aufgekommen. Welches Ziel verfolgt der Staatskonzern genau? Will er sich nur ein positives Image aufbauen und dem GE04 dabei finanziell etwas unter die Arme greifen oder den Verein gar übernehmen? Immerhin wird „Gazprom“ in der Öffentlichkeit oft als ein Konzern gesehen, der angeblich auch gerne mal zur Gewalt greift, um den Konkurrenten mundtot zu machen oder andere Firmen zu übernehmen. Eindeutig bewiesen ist das natürlich nicht, aber weit über 500 russische Auftragsmorde im letzten Jahr sprechen eine klare Sprache. Wie man auch als einzelner zu der Sache steht, ein Imagegewinn ist der Vertragsabschluss für die Blauen auf jeden Fall nicht - eher im Gegenteil.
So, das waren denn mal wieder ein paar Ergüsse von mir zum Thema Fußball.
Kommentare sind wie immer herzlichst willkommen, allerdings rechne ich nicht unbedingt damit
Wie man sich denken kann, habe ich übrigens Urlaub und daher viel Zeit zum Schreiben
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Eine Frau macht niemals einen Mann zum Narren. Sie sitzt bloß daneben und sieht zu, wie er sich selbst für sie dazu macht.
(Frank Sinatra)